
Der MTV-Moderator MARKUS KAVKA ist 41 und noch immer nicht erwachsen. Er ist nicht der einzige, dem es so geht.
NZZ am Sonntag, 22. März 2009 · Lesedauer 4 Min.
Wenn Markus Kavka einmal Vater wird, werden die Journalisten schreiben: „Der Berufsjugendliche wird erwachsen.“ Und tatsächlich: Mit 41 noch TV-Sendungen zu moderieren, deren Zuschauer zwischen 14 und 19 sind, zeugt von einer gewissen Weigerung, mit dem Pubertieren aufzuhören.
Doch vielleicht hat Kavka fürs Erwachsenwerden auch schlicht keine Zeit: Die Galionsfigur von MTV Deutschland moderiert seit neustem auch auf MySpace, tritt als DJ auf und unterstützt eine Reihe sozialer Initiativen, so zum Beispiel gegen Rechtsradikale.
Und Markus Kavka schreibt, zumeist Kolumnen. Über Frauen und Männer und warum sie sich nicht einfach lieben können. Über den Schriftsteller Maxim Biller („ein in hippen Berlin-Mitte-Bars miesepetrig rumhängender Grossstadtdesperado mit Intellektuellenfreischwimmerabzeichen“). Über die Traurigkeit in den Augen von Angela Merkel. Und immer wieder – präzis und selbstironisch – über das Erwachsenwerden, denn das steht ja auch fürs Heiraten, Kinderkriegen, Hypothekarkreditbeantragen, kurz: fürs Ruhiger- und Seriöserwerden, und mit all dem hat Kavka nichts am Hut, denn irgendwie, sagt er, sei „der bürgerliche Masterplan an ihm vorbeigerauscht“, habe er sich „die Unrast und latente Verwirrtheit der Jugend zur Tugend gemacht“.
Damit steht der Mann, von dem Madonna fand, er ähnle Brad Pitt, nicht alleine da. In England gibt es sogar schon den Begriff „middle youth“. Er bezeichnet Menschen zwischen Ende 20 und Anfang 40, die zu alt sind, um noch als Jugendliche durchzugehen, sich aber auch zu jung geben, um als erwachsen zu gelten.
„Generation Umhängetasche“ nennt der Berliner Autor Martin Reichert diese Langzeitadoleszenten in seinem Buch „Wenn ich mal gross bin“. Die Pubertät schon 15 bis 25 Jahre hinter sich, schieben sie den Einstieg ins Erwachsenenleben noch immer vor sich hin, jede Endgültigkeit, Langfristigkeit und Verantwortung scheuend. Die Umhängetasche voller Krimskrams, die diese erst im biologischen Sinne Erwachsenen dabei häufig mit sich herumschleppen, ist für Reichert das Symbol ihrer emotionalen Unreife. Eine Art „Mühlstein“, wie er schreibt, der sie „hinabzieht in einen Abgrund aus romantischer Regression und depressivem Stillstand“.
Was meint der „Hobbyjugendliche“ Markus Kavka dazu? (So nannte ihn die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“.) Wir besuchten Kavka in Berlin, das seiner niederen Lebenshaltungskosten wegen als Hauptstadt all jener gilt, die sich nicht einem verantwortungsvollen neuen Lebensabschnitt stellen mögen: dem Erwachsensein.
Markus Kavka, vor ein paar Jahren meinten Sie in einem Interview: „Je älter ich werde, desto dümmer und irrationaler handle ich.“ Ist es besser geworden?
Ein bisschen. Was aber sehr mit meinem Privatleben zu tun hat. Dieses Zitat stammt ja aus den Hoch-Zeiten meiner persönlichen Irrungen und Wirrungen. Da pendelte ich zwischen München, Köln und Berlin, hatte keine feste Beziehung und feierte jedes Wochenende durch. Vor dreieinhalb Jahren habe ich dann aber meine jetzige Freundin kennen gelernt, und die ist für mich ein ganz grosser Anker geworden. Darum mache ich jetzt etwas weniger häufig unsinnige Dinge.
Vor ein paar Jahren konnten Sie sich nicht vorstellen, mit 40 immer noch bei MTV zu moderieren. Jetzt sind Sie 41 und tun’s trotzdem noch.
Tatsächlich meinte der Programmdirektor unlängst: „Dich schieben wir hier noch im Rollstuhl raus. Du bist der erste Mitarbeiter, der nach MTV direkt in Rente geht.“ Ganz so lang werde ich wohl doch nicht bei MTV sein. Aber so lang ich zu dem, was ich hier mache, stehen kann, bleibe ich.
Sie zählen sich selbst zu den so genannten „Kidults“. Das sind Erwachsene, die sich im fortgeschrittenen Alter immer noch typische Jugendvergnügungen gönnen. Warum wollen denn diese „Kidults“ nicht erwachsen werden? Vielleicht weil es so verdammt wichtig geworden ist, cool zu sein? Und cool ist ja gleich anti-spiessig, anti-familiär, anti-erwachsen.
Mmh. Ich denke, dass dieses Nicht-erwachsen-werden-Wollen viel mit der Bildungsreform und dem Individualisierungsschub der letzten Jahrzehnte zu tun hat. Man macht so mit 19 Abitur, verreist erst eine Weile und absolviert dann acht bis zehn unbezahlte Praktika, bevor man sich mit Anfang 30 überlegt, was man denn nun genau mit seinem Leben anfangen will. Und dass man in all den Jahren am Abend nicht nur zu Hause sitzt, sprich fleissig clubben geht, ist klar. Man will ja jemanden kennen lernen.
Inwiefern ist dieses Nicht-erwachsen-werden-Wollen ein Problem für die nachfolgende Generation? Jugendliche müssen sich doch abgrenzen können.
Bestimmt nervt es Jugendliche, wenn ihre Eltern dieselbe Musik hören und dieselben Klamotten tragen. Aber ich glaube, dass die Jugend von heute immer noch Mittel und Wege findet, sich abzugrenzen. Ich denke da zum Beispiel an Online-Communities. Es gibt Bereiche im Internet, in die wir Älteren kaum hineinsehen.
Inwiefern ist dieses Nicht-erwachsen-werden-Wollen spiessig? Die permanente Angst davor, ein Spiesser zu werden, ist ja irgendwie selbst spiessig.
Absolut. Es herrscht in Szenekreisen durchaus manchmal eine gewisse Schrebergartenmentalität. Der Konformitätsdruck ist wie in den fünfziger Jahren. Man sieht einfach anders aus.
Jetzt zur Frage aller Fragen: Wie stelle ich das denn nun genau an mit dem Nicht-erwachsen-werden-wollen-und-dabei-total-lässig-Bleiben? Auch die 68er wollten ja nicht erwachsen werden, die haben das mit dem Nicht-erwachsen-werden-Wollen sogar erfunden. Wenn man sich nun aber das Nicht-erwachsen-werden-Wollen eines Thomas Gottschalk etwa anschaut, dann wird man doch lieber ganz schnell erwachsen.
Die Frage ist berechtigt: Wie altere ich in Würde? Ich glaube, dass das Geheimnis darin besteht, es mit dem Nicht-erwachsen-werden-Wollen diskret zu machen. Das ist ja genau das Problem von so Leuten wie Thomas Gottschalk, dass sie die Sprache der Jugend imitieren. Das ist ja das Schlimmste überhaupt, sich so anzubiedern.
Was sollte ich stattdessen tun?
Ich glaube, man muss das Leben einfach wie ein riesiges Geschenk betrachten. Ein Geschenk, das man bis zu seinem letzten Tag dafür nutzen kann, immer neue Dinge zu erfahren.
Wer sich erwachsen fühlt, dem sind einfach die Fragen ausgegangen?
Genau. Wer das Gefühl hat, schon alles zu wissen, ist wie einer, der im Gefängnis sitzt. Er macht dann nur noch Striche an der Wand.
Markus Kavka war Ministrant, wählte Religion als Abiturfach und hätte seine Mutter äusserst glücklich gemacht, wenn er Priester geworden wäre.
Mittlerweile ist er Atheist. Aber an das ewige Leben glaubt er auf seine eigene Art immer noch.