
Vor 50 Jahren erschien das Skandal-Lied schlechthin: „JE T’AIME … MOI NON PLUS“. Hatten Serge Gainsbourg und Jane Birkin im Tonstudio wirklich Sex?
Weltwoche, 13. Juni 2019 · Lesedauer 4 Min.
Das Geisterhaus befindet sich an der Rue de Verneuil in Paris. Obwohl bis unter das Dach mit Kunst und Krempel gefüllt, ist es seit dem 2. März 1991 unbewohnt – dem Tag, an dem sein Besitzer mit nur 62 Jahren an seinem fünften Herzinfarkt starb.
Als Serge Gainsbourg das Stadt-Palais erwarb, wollte er dort mit Brigitte Bardot einziehen. 1967 hatten die Schauspielerin und der Musiker eine heftige Affäre begonnen. Eines Abends hat BB Gainsbourg, ihr das schönste Liebeslied der Welt zu schreiben. Am andern Morgen war es fertig und hiess „Je t’aime … moi non plus“. Den sarkastischen Titel inspirierte ein Kommentar Salvador Dalís: „Picasso ist Kommunist – ich auch nicht.“
Der Text des Lieds sei grundehrlich, meinte Gainsbourg. „Eine Frau flüstert einem Mann beim Sex ins Ohr, dass sie ihn liebe. Aber der Mann weiss: Aus der Frau spricht nur die Lust.“
Im Herbst 1967 gingen Bardot und Gainsbourg ins Studio, um „Je t’aime … moi non plus“ aufzunehmen. Doch als die Single bereit zur Auslieferung an die Plattenläden war, kehrte die Schauspielerin zu ihrem Ehemann Gunter Sachs zurück und bat Gainsbourg, das skandalträchtige Lied nicht zu veröffentlichen.
Der Musiker fiel in eine Depression, aus der ihn erst eine 21-jährige Britin erlöste, an deren Seite er 1968 den Film „Slogan“ drehte. Seitdem waren Serge Gainsbourg und Jane Birkin ein Paar und sorgten schon bald für einen handfesten Skandal. Denn in einem Londoner Studio nahmen die beiden „Je t’aime … moi non plus“ erneut auf. Und wie schon BB stöhnte auch JB zu den Vaseline-Klängen einer Hammond-Orgel so innig, als hätten sie und der 20 Jahre ältere Musiker Sex.
Zurück in Paris, gab Gainsbourg die Aufnahme einem Disk Jockey, der für den diskreten Hintergrund-Sound in einem noblen Restaurant zuständig war. Kaum liess dieser das Lied laufen, erstarrten alle Messer und Gabeln in der Luft. „Ich glaube, wir haben einen Hit“, meinte Gainsbourg und sollte sich nicht irren: Als „Je t’aime … moi non plus“ am 27. Juni 1969 veröffentlicht wurde (mit dem werbewirksamen Hinweis „Für unter 21-Jährige verboten“), war der Erfolg enorm. Und die Aufregung ebenso. In etlichen Ländern wurde die Platte verboten, so etwa in Spanien, Schweden und England. Der Vatikan tobte so sehr, dass der Direktor der Vertretung der Plattenfirma zu zwei Monaten Haft verurteilt wurde. Seitdem war der vertonte Orgasmus in Italien nur noch als Import aus Südamerika zu haben – versteckt unter Maria-Callas-Platten. Selbst in den USA war „Je t’aime … moi non plus“ ein kleiner Erfolg: Die Single erreichte Platz 69 der Billboard-Charts – eine durchaus passende Platzierung.
Die häufigste Frage der Journalisten war zu erwarten gewesen: Hatten die Engländerin und der Franzose im Studio wirklich Sex? „Natürlich nicht“, meinte der Musiker. „Sonst wäre das Lied ja keine Single geworden, sondern eine Langspielplatte.“ Der schönste Kommentar zum Skandal-Song stammt allerdings von einem Londoner Taxifahrer. Als Jane Birkin auf der Rückbank seines Wagens sass und beiläufig erwähnte, dass sie das Mädchen aus „Je t’aime … moi non plus“ sei, machte der Fahrer eine Vollbremsung, drehte sich um und schrie: „Zu dieser Platte habe ich drei verdammte Kinder gezeugt!“
Auch Jane Birkin und Serge Gainsbourg zeugten ein Kind: die Sängerin und Schauspielerin Charlotte Gainsbourg. Sie ist es, die darüber wacht, dass in der Rue de Verneuil seit dem Tod ihres Vaters nichts verändert wird. Die Aschenbecher quellen noch immer von Zigaretten über. Die offenen Whiskyflaschen – ihr Inhalt verdunstet – stehen noch immer überall herum. Und irgendwo dreht sich wohl auf einem Plattenspieler eine Single knisternd im ewigen Kreis.
Das Lied ist längst verklungen, und die Nadel des Tonarms hat sich tief ins Vinyl gegraben. Aber die Klänge einer Hammond-Orgel und das Stöhnen einer Frau im Liebesrausch hallen noch immer durchs ganze Haus.
Lieber Nik
Herrlich – vor allem auch das mit der Platzierung Nummer 69 – da muss man erst mal drauf kommen. 😂
Charlotte Gainsbourg finde ich extrem überbewertet, sie imitiert ihre Mutter (laszive Unschuld) und vergöttert ihren Vater in einer Weise, die ich abnormal finde (wie ja auch in deiner Kolumne zu lesen ist). Aber die Franzosen ganz allgemein sind so, verehren ihre Stars bis in den Tod, da steht eben ein Johnny Hallyday (obwohl er die Musik in keiner Weise beeinflusst hat) weit über Elvis, Serge Gainsbourg weit über Kerouac.
Wieder einmal habe ich zu viel geschrieben, aber deine Kolumnen animieren mich einfach dazu, meinen Senf bzw. meine Moutarde de Dijon dazuzugeben.
Bunte Grüsse
Dominique